Voll auf Höhe der Zeit, sollte der Borgward P 100 eindrucksvoll demonstrieren, das die Bremer Tüftler zu weit mehr als Last- und Kleinwagen fähig waren. Der große Borgward hatet das zeug zum großen Erfolg, doch so weit sollte es nicht kommen.   

Allein die mickrigen Radkappen passen nicht zum Auftritt der Borgward Limousine ©autorild.de

Auch wenn es heutzutage von etlichen Zeitgenossen gern wider besseren Wissens dementiert wird, so sahen sich Autos vergangener Tage

auch mehr oder minder ähnlich. Kenner der Materie können sie freilich auseinanderhalten, doch dürften Mercedes W 110 und Borgward P 100 in der Seitenansicht dem Unbedarften wie nahe Verwandte vorkommen. Letztlich waren sie es auch fast: Benz wie Borgward befanden sich mit ihren dezenten Heckflossen, der angesagten Panoramaheckscheibe nebst kleinem Dachüberhang und den hoch liegenden Rundscheinwerfern ganz in Rufweite hinter der Mode. Unterschiedlicher fielen Rückleuchten und Grills aus: Beim P 100 bauten erstere kompakt-rund, und die Kühlluft durchfloss einen breiten Einlass, während es die Stuttgarter genau andersherum hielten. 

Die strenge und sachliche Front des Borgward P 100 entsprach gänzlich dem Zeitgeschmack ©autorild.de

An US-Gimmicks sparte der Borgward P 100 nicht 

Auch in seinen Abmessungen von 472 cm Länge bei 265 cm Radstand, 174 cm Breite und 142 cm Höhe kommt der Borgward Oldtimer dem Sternträger sehr nahe, während er wesentlich raffinierter daherkommt: Die Schwaben hatten oberhalb der gehobenen Mittelklasse noch allerhand in petto, während der P 100 das Flaggschiff der dafür in niedrigeren Segmenten aktiveren Bremer markierte. Das hielt die Hanseaten aber nicht ab, für ihr im September 1959 auf der IAA in Frankfurt präsentiertes Prachtstück die erste deutschen Luftfederung „Airswing“ anzubieten. Deren vier Luftbälge federten aber nicht nur, sondern minimierten die Seitenneigung in Kurven oder das  Bremseintauchen, sodass der Borgward P 100 stets auf geradem Kiel blieb. GM hatte ein solches System bereits für 1958 offeriert, und US-Innovationen standen hoch im Kurs. 

Der große Borgward überzeugte 2.591 Kunden ©autorild.de

Die Borgward Limousine war ein Fall für Besserverdiener 

Auch das amerikanische Faible für Getriebeautomaten teilte Firmenchef Carl-Friedrich: Für 980 DM Aufpreis erhielt der Borgward P 100 die von der britischen Hobbs Transmission Ltd. bezogene Hansamatic. Im Vorderwagen verhehlte die Borgward Limousine ihren Anspruch nicht minder, denn als einziges Triebwerk gab es einen 2,3-l-Reihensechszylinder, der prestigeträchtige 100 PS leistete. Dank 158 Nm Drehmoment säuselte der so genannte große Borgward mit der hier verbauten Viergang-Lenkradschaltung in 16 Sekunden von 0 auf 100 und erreichte seinerzeit bemerkenswerte 160 km/h Spitze. Kehrseite war der nicht eben geringe Borgward P 100-Preis von 12.350 DM, selbst der erst ab 1965 auch mit R6 als 230 lieferbare W 110 kam günstiger.   

Auf der Lenkradnabe trägt der Borgward Oldtimer das Wappen der Hansestadt Bremen ©autorild.de

Seinen Herstellern machte der Borgward Oldtimer große Sorgen 

Der Tempoabbau oblag rundum von einem Bremskraftverstärker unterstützten Trommeln, achtern wies der Borgward Oldtimer eine moderne Pendelachse auf – Starrachsen waren ein Fall für Opel und Ford. All der konstruktive Aufwand rentierte sich am Ende zwar nicht, doch bis zum Abschluss des Konkursverfahrens 1962 konnte der Nachfolger des weitaus glückloseren Hansa 2400 immerhin 2.591 Kunden begeistern. Glücklich wurde man aber auch in Mexiko nicht, wohin die Produktionsanlagen 1963 gingen: Erst kam das Projekt wegen Kapitalmangels nicht in Gang, der zweite Anlauf von 1966 endete Mitte 1970 nach 2.267 230 und 230 GL Pullmann ebenfalls in finanziellen Schwierigkeiten. Ein Fluch wird auf dem Borgward P 100 kaum liegen; Segen brachte er jedoch allein seinen Eignern, wie unser bildhübsches Fotomodell unmissverständlich zeigt.   

Das Heck vom P 100 war modisch, wirkte aber hektisch zusammengestellt ©autorild.de

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