Auch wenn der Mercedes SL 65 AMG sicher nicht zu verachten ist, fallen seine Kosten so hoch wie sein Fahrspaß aus. Günstiger und sparsamer ist man mit dem SL 350 unterwegs. Wir gaben ihm von Konstanz bis nach Stuttgart die Sporen.
Top, ein neuer Mercedes SL steht vor dem Hoteleingang und wartet auf nur darauf, beladen und gestartet zu werden. Wieso öffnet sich der Kofferraum nicht, wackelt man mit dem Fuß unter dem Stoßfänger? Aha, dieses Feature vom Mercedes Roadster muss erst per Knopfdruck im Gepäckabteil aktiviert werden. Koffer rein und auf Mitfahrer Frank warten. Sobald er drin sitzt, gelten für den Mercedes SL Cabrio-Regeln der alten Sorte: Es regnet, hagelt oder schneit nicht, also wird offen gefahren. Das Hardtop surrt leise in Ruheposition, das elektrisch bedienbare Windschott des 350 SL darf gleich weiter schlafen.
Der Mercedes SL 350 hält sich akustisch meist zurück
Wie in unserem Mercedes SL R 231 Nacken- oder Sitzheizung arbeiten? Keine Ahnung, für derartiges Zeug halte ich mich noch zu jung. Zudem strahlt die Sonne. Aufs Knöpfchen gedrückt, und der natürlich beatmete 3,5-l-V6 mit 306 PS und 370 Nm Drehmoment beginnt seine Arbeit. Harte Gasstöße quittiert der Benziner mit kernigem Grollen, ansonsten schein SL nicht nur für „Sport Leicht“, sondern auch für „schön leise“ zu stehen. Beim Sprint von 0 auf 100 findet der zum Preis von 93.534 Euro erhältliche Bolide aber wieder zu seiner Stimme zurück, die ab Werk angegebenen 5,9 Sekunden kommen gut hin. Hohen Anteil daran hat auch der mit 0.27 recht geringe cW-Wert des Mercedes SL 350.
Neuer SL avanciert zum Kurvenstar
Da der Jubliäums-Benz – wir erinnern uns, die SL-Reihe gibt’s seit 60 Jahren – als Sportwagen vermarktet wird, aktivieren wir das Sportprogramm. Das Fahrwerk verliert damit zwar geringfügig an Komfort, erlaubt in unserem Mercedes SL Test aber beachtliche Kurvengeschwindigkeiten auf der Landstraße, die so manchen Kompaktwagen längst über Leitplanke gehebelt hätten. An diesem Vergnügen ohne vernehmbare Seitenneigung ist auch die direkte und exakte Lenkung maßgeblich beteiligt. Weitere Freude bereitet auch das 7G Tronic Plus-Automatikgetriebe des Mercedes SL 350, die die Gänge unmerklich austauscht und das Drehzahlniveau unten hält. Kickdown-Gedenksekunde? Fehlanzeige. 
Mercedes Roadster statt Luftkurort
Fahrerwechsel im Mercedes SL 350: Frank bekommt die schnelle Autobahn-Etappe, fährt vorsichtshalber Seitenscheiben und Windschott hoch. Zum Brettern durchaus sinnvoll, weht doch so jenseits der 220 Sachen im Mercedes R 231 nur ein laues Lüftchen. Welch Sturm bei diesem Tempo wirklich herrscht, merkt erst, wer eine Hand über den Windschutzscheibenrahmen vom Mercedes Roadster hält. Da zieht’s gewaltig, während es im Innenraum bloß gewaltig laut ist. Gut für Paare, die sich nichts mehr zu sagen haben, doziert Frank. Ich kontere, nein - da hätte es vom Beifahrersitz längst gekreischt „Fahr langsamer!“ 
Mercedes SL: Normverbrauch, nein danke!
Da der neue SL 350 aber schnell und eben nicht langsam gefahren wurde, verfehlten wir die im NEFZ kalkulierten 6,8 Liter deutlich. Elf-komma-irgendwas stand bei uns auf der Uhr. Wurscht, wir haben den Wagen wenigstens artgerecht bewegt und nicht mit Schritttempo die linke Spur dichtgemacht. Komplett entspannt und mit genügend Frischluft und Sonne für die nächsten Tage stellen wir den fast konkurrenzlosen Sportwagen schließlich am Stuttgarter Fernsehturm ab – lediglich der Jaguar XK bedient das gleiche Klientel wie der neue Mercedes SL.
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